Wiens beliebteste Streetfood-Institution: der Würstelstand
Streetfood ist heutzutage in aller Munde. Es ist leicht zugänglich, bequem, rund um die Uhr verfügbar und wir sind uns ziemlich sicher, dass einige Fast-Food-Gerichte zum Mitnehmen bereits eure Rettung nach der einen oder anderen durchfeierten Nacht gewesen sind. Wenn ihr an Streetfood denkt, kommt euch vielleicht als erstes Kebap, Dürüm, Falafel oder Pizza in den Sinn, aber da wir uns in Wien befinden, wollen wir euch einen wesentlichen Teil der Wiener Identität nicht vorenthalten: den Wiener Würstelstand! Wir begeben uns auf eine Zeitreise zu den Ursprüngen dieser Wiener Institution, die besondere Würstelstandsprache sowie unsere persönlichen Empfehlungen der besten Würstelstände der Stadt!
Bratlbrater, Frankfurter und Fast Food im Mittelalter
Eigentlich hat Fast Food in Wien eine ziemlich lange Tradition, auch wenn es nicht immer so genannt wurde. Schon im Mittelalter boten sogenannte Gar- oder Stadtköche billige warme Mahlzeiten (meist Würste) an, die auch der Bevölkerung der ärmeren Schicht zumindest eine warme Mahlzeit am Tag sicherten.
Ab dem 16. Jahrhundert dominierten, ihre Nachfolger, die sogenannten „Bratelbrater” das Stadtbild. Sie verfügten über tragbare Öfen und boten verschiedene gebratene oder gekochte Fleischstücke sowie Würste an. Ähnlich wie die Stadtköche sorgten sie für warme Mahlzeiten für die ärmere Wiener Bevölkerung, denn viele von ihnen hatten zwar ein Dach über dem Kopf, aber in ihren Wohnungen fehlte eine Küche. Das Wiener „Fast Food” war daher ihre Hauptnahrungsquelle und die Würste, die mit Senf oder Kren und einer Wiener Semmel serviert wurden, waren für sie eine köstliche Mahlzeit. In der kaiserlich-königlichen Monarchie Österreich-Ungarns wurden die mobilen Stände der Bratelbrater meist von Kriegsinvaliden betrieben, um diesen so ein Einkommen zu ermöglichen.
Das Angebot der Bratelbrater war schon damals sehr vielfältig und umfasste Bratwurst, Frankfurter Wurst, Leberwurst, Speckwurst, Presswurst, geräucherten Schinken und mehr. Als besonders beliebt erwiesen sich jedoch die Frankfurter Würste, die 1805 von Johann Georg Lahner kreiert wurden. Lahners neuartige “Frankfurter” bestanden aus feinem Schweine- und Rindfleisch, das in Schafsdärme gefüllt wurde. Die „Fluffigkeit” und „leichte Verdaulichkeit” der Würste überzeugten. Als Lahner 1845 starb, hatte sich seine Kreation in ganz Wien etabliert, mit zahlreichen prominenten Anhängern wie Johann Nestroy oder Franz Grillparzer. Später gesellte sich der berühmteste aller Frankfurter-Fans dazu: Kein Geringerer als Kaiser Franz Joseph soll in der Hofburg ein Paar Frankfurter als tägliche Jause verspeist haben!
Auch im Ausland wurden die Frankfurter populär, doch hier herrscht leicht Verwirrung: Aufgrund ihrer Wiener Herkunft werden sie im Ausland häufig als “Wiener Würste” bezeichnet. Wenn ihr also die Begriffe “Frankfurter” und “Wiener” hört, bezeichnen diese dieselbe Würstelsorte.
Erster Wiener Würstelstand
Der erste Wiener Würstelstand wurde im Jahr 1928 von Leopold Mlynek Senior gegründet, der damals noch als fahrender Imbiss betrieben wurde. Als “Würstelstand Leo” gehört er auch heute noch zum Wiener Stadtbild und befindet sich nun am Döblinger Gürtel 2.
Die Würstelstände in ihrer heutigen Form gibt es erst seit den 1960er Jahren, als sind fixe Stände in Wien erlaubt wurden. Viele Würstelstände im Bereich der Wiener Innenstadt sind seitdem bis spät in die Nacht geöffnet und wurden daher besonders bei NachtschwärmerInnnen sowie TaxifahrerInnen beliebt. Zu dieser Tageszeit waren sie im Grunde die einzige Möglichkeit, eine schnelle Mahlzeit zu bekommen, bevor in den 1980er Jahren andere beliebte Fast-Food-Angebote wie Kebap-Stände aufkamen.
Wisst ihr übrigens, warum die am Würstelstand gebratenen Würste immer besser schmecken als die zu Hause zubereiteten? Der Grund dafür liegt im Kochwasser des Kessels. Am Würstelstand ist es immer mit Salzen, Fetten und den Aromastoffen der anderen Würste gesättigt, was zu einem unnachahmlichen Aroma führt.
Bis heute ist der Würstelstand ein Treffpunkt und „Melting Pot“ für alle Gesellschaftsschichten. Ob ArbeiterInnen oder ManagerInnen, am Würstelstand sind alle gleich —damals wie heute.
Das traditionelle Angebot der Würstelstände besteht meist aus: Burenwurst, Käsekrainer, Frankfurter (Wiener Würstchen), Bosner/Bosna, Waldviertler, Debreziner, Hot Dog, Leberkäse, Senf, Kren und Ketchup sowie Brot; Getränke wie Bier und andere alkoholfreie Getränke. Weitere Beilagen sind eingelegtes Gemüse: Pefefferoni, saure und eingelegte Gurken, Silberzwiebeln, sowie Rollmops und Manner-Waffeln.
Wow, seid ihr schon verwirrt von all diesen österreichischen Namen? „Werfen wir mal einen Blick auf die besondere Sprache, die am Wiener Würstelstand gesprochen wird damit ihr lernen könnt, wie echte WienerInnen bestellen.“
Die merkwürdige Sprache am Würstelstand
Auch wenn Deutsch eure Muttersprache ist, könnten euch einige der Ausdrücke, die ihr am Wiener Würstelstand hört, verwirren. Versteht ihr zum Beispiel, was „a Haaße mit am Sechzehner Blech” bedeutet?
Um Licht ins Dunkel dieser speziellen Begriffe zu bringen, haben wir ein kleines “Wiener Würstelstand-Wörterbuch” für euch erstellt:
Eitrige — Käsekrainer, ein mit Käse gefülltes Würstchen
Haaße — Burenwurst
Bugl — Scherzerl/Brotanschnitt, die knusprige Seite eines Brotes
Krokodü — Salzgurke
A Öliche — Pfefferoni
Glasaug‘ — Perlzwiebel
A Schoafa — scharfer Senf
A G’schissener — Süßer Senf
Sechzehner-Blech — Eine Dose Ottakringer Bier
Wenn also jemand “a gschissene Eitrige mit am Buckel, am Krokodü und am Sechzehner-Blech” bestellt, wisst ihr ab jetzt, was es damit auf sich hat.
Unsere Top 4 Würstelstand-Empfehlungen
Falls ihr euch jetzt fragt, welchen Wiener Würstelstand ihr unbedingt besuchen sollt, haben wir hier eine Auflistung unserer liebsten Wiener Würstelstände für euch erstellt:
Würstelstand Leo
Adresse: Döblinger Gürtel 2, 1190 Wien
Der Würstelstand Leo ist, wie bereits erwähnt, der älteste Würstelstand Wiens und ist bis heute in Familienbesitz. Mittlerweile führt Inhaberin Verena Tondl den Würstelstand bereits in der dritten Generation. Besonders gefragt sind bei Leo die eigens kreierten Riesenkäsekrainer, die auf den Namen „Big Mama“ hören. Die „Big Mama“ macht bis zu vier Personen satt und wird, garniert mit hausgemachten Saucen, Gebäck sowie pikanten Beilagen, elegant auf einem Tablett serviert.
Bitzinger bei der Albertina
Adresse: Albertinaplatz 1, 1010 Wien
Der Bitzinger ist wohl einer der beliebtesten Würstelstände in Wien und wird auch von den Besuchern der gleich daneben liegenden Oper gerne frequentiert. Der Würstelstand wird auch sehr gerne von TouristInnen aufgesucht, weswegen es schon vorkommen kann, dass man geduldig in der Schlange warten muss. Bitzinger bemüht sich sogar um den Status als Immaterielles Weltkulturerbe der UNESCO und hat in der Vergangenheit auch schon einige Auszeichnungen gewonnen. Unser Tipp: Schnappt euch eure Bitzinger-Bestellung und genießt sie im schönen Burggarten nebenan.
Kaiserzeit Würstelstand
Adresse: Augartenbrücke, 1020 Wien
Der Würstelstand Kaiserzeit ist so schick, wie es nur sein kann, wenn es um Würstelstände geht. Der Gourmet unter den Wiener Würstelständen bietet auf seiner Speisekarte Champagner an und alle verkauften Würste sind von höchster Qualität, was den Würstelstand zu einer Anlaufstelle für Wurstliebhaber macht. Neben den Würsten gibt es auch andere Gerichte wie leckeres Gulasch und auch Sardinen, die auf einer Scheibe selbstgebackenem Brot serviert werden. Tipp: Neben Bier gibt es hier auch die beliebten Spritzer, eine Seltenheit am Würstelstand!
Wiener Würstelstand
Der jüngste Neuzugang in der Würstelstand-Szene heißt schlicht und einfach Wiener Würstelstand und befindet sich in der Pfeilgasse 1, Ecke Strozzigasse, im 8.Bezirk. Der Stand war einige Jahre lang leer, bevor Michael Lanner und Stefan Sengl ihn 2019 wieder zum Leben erweckten. Dieser Würstelstand ist der einzige, der tatsächlich bio-zertifiziert ist. Die Würste kommen größtenteils von niederösterreichischen Biobauern, das Brot ist ebenfalls bio, es gibt eine große Auswahl an vegetarischen und veganen Würsten und es werden keine Aludosen oder PET-Flaschen verwendet. Unser Tipp: Probiert die vegane “Bosna”, die aus Pilzen hergestellt wird!
Wir hoffen, ihr seid beim Lesen über diese Wiener Delikatesse nicht zu allzu hungrig geworden 😉 Wenn ihr ein paar unserer Würstelstände-Empfehlungen ausprobiert oder andere Lieblings-Würstelstände habt, lasst es uns in den Kommentaren unten wissen oder schreibt uns auf Facebook oder Instagram.
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